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Raus aus Köln

Topflos und wild

Susanne Neumann-KölnerLeben Ausgabe 2/2017 · 05.04.2017

Wer aufmerksam durch Wald und Wiesen rund um Köln spaziert, kann viele heimische Orchideenarten entdecken. Foto: pexels.com

Wer aufmerksam durch Wald und Wiesen rund um Köln spaziert, kann viele heimische Orchideenarten entdecken. Foto: pexels.com

Orchideen: Mit prächtigen, leuchtenden Farben und filigranen Blütenstehen sie in vielen Variationen auf den Fensterbänken. Sie gelten als selten und exotisch. Doch gleich vor der Haustür findet man ihre wilden Geschwister.

Die Orchidee steht kaum zwei Meter von einem Wanderweg entfernt im Wald. Doch sie ist gut getarnt: Die vielen, winzigen Blüten ihrer langen, schmalen Rispe sind so grün wie die Gräser und Blätter der Büsche um sie herum. Allein die beiden großen, eiförmigen Laubblätter, die den kaum 30 Zentimeter langen Stängel nah am Boden einfassen, fallen auch im Vorbeigehen auf. Sie gaben der wilden Orchidee ihren Namen: „Großes Zweiblatt“. Es zählt zu den rund sechzig wilden Orchideenarten, die in Deutschland vorkommen. Überraschend viele davon ganz in der Nähe von Köln.

Im Rhein-Erft-Kreis sind Standorte von 18 verschiedenen Arten bekannt. Dort siedeln sie sich vor allem auf rekultivierten Flächen an, wo ausgekohlte Tagebaue wieder in möglichst naturnahe Lebensräume für Pflanzen und Tiere umgewandelt werden. Die in der Rekultivierung verkippten Böden enthalten nur wenig Stickstoff, was sich günstig für viele Orchideenarten auswirkt. Denn nährstoffarme Böden bedeuten weniger Konkurrenz und sind damit eine überlebensnotwendige Voraussetzung für Orchideen. Gegen sich stärker vermehrende Pflanzen können sie sich meist nicht durchsetzen, werden von ihnen verschattet und überwuchert.

Wertvolle Lebensgemeinschaften

Im Rheinisch-Bergischen Kreis kommen nach Schätzungen von Dario Wolbeck vom Arbeitskreis Heimische Orchideen (AHO) Nordrhein-Westfalen gut ein Dutzend Arten vor, neun davon auf Kalkböden, der Rest auf saureren Flächen wie Feuchtwiesen. Sämtliche wilde Orchideen sind besonders geschützt und dürfen weder gepflückt noch ausgegraben oder beschädigt werden. „Leider kommt es immer wieder vor, dass wilde Orchideen ausgebuddelt werden“, erzählt Wolbeck, „vermutlich, um sie im eigenen Garten oder Blumentopf anzusiedeln.“ Dabei sei das nicht nur streng verboten, sondern obendrein sinnlos: Ohne ganz bestimmte Pilze im Boden können die meisten Orchideen nicht überleben, geschweige denn, sich vermehren. Ihre winzigen, staubartigen Samen haben kein eigenes Nährgewebe um sich herum und gehen mit Bodenpilzen eine Lebensgemeinschaft ein, um von ihnen ernährt zu werden. Kein noch so großer mit ausgegrabener Erdballen würde die richtigen Bedingungen für das Überleben der Pflanzen bieten, so Wolbeck.

Augen auf am Wegesrand

Wer aufmerksam durch Wald und Wiesen rund um Köln spaziert, kann neben dem Großen Zweiblatt noch mehr heimische Orchideenarten entdecken, ohne die Wege verlassen zu müssen – die „Orchidee des Jahres 2017“ zum Beispiel, die den deutschen Namen „Weißes Waldvögelein“ trägt. Ab Mitte Mai und im Juni haben Spaziergänger recht gute Chancen, die bis zu 60 Zentimeter hohe Blume mit ihren einzelnen, kaum geöffneten weißen Blüten an der bewaldeten Uferböschung des Lucretiasees bei Brühl zu finden. Oder vielleicht bei einem Spaziergang entlang des Baches „Strunde“ im Wald von Bergisch Gladbach.

Hier wie dort blüht etwa zur gleichen Zeit auch eine Orchidee, die gar kein Grün an sich hat: die „Vogel-Nestwurz“. Man muss schon genau hinsehen, um diese zurückhaltende Schönheit mit ihren dichten, blassbraunen Blüten im braunen Laub des Waldbodens zu entdecken, auch, wenn sie direkt neben dem Wanderweg steht. Das „Gefleckte Knabenkraut“ ist auffälliger. Die schmalen und länglichen Blätter dieser bis zu 60 Zentimeter hohen Orchidee sind fast immer deutlich gefleckt. Ihre vielen rosafarbenen bis violetten Blüten bilden eine dichte Ähre. Im Juni blüht sie vor allem in Waldwiesen und an lichten Stellen im Laubwald. Im Naturschutzgebiet „Die Schlade“ bei Bergisch Gladbach, das man über den Geopfad erreicht, muss man fast aufpassen, dass man sie nicht niedertrampelt, wenn man die Pfade durch die Wiesen beschreitet.

Ab Juli und bis in den August hinein blüht dann die „Breitblättrige Stendelwurz“. Die bis zu 90 Zentimeter hohe, auffällige Orchidee ist vergleichsweise anspruchslos und hat sich in den Wäldern rund um Köln verbreitet. Gut zu erkennen ist sie schon vor ihrer Blüte an ihren großen, stark geaderten Blättern und dem umgebogenen Knospenstand. Als Letzte im Jahr schließt sie die Blütezeit der heimischen Orchideen ab.

Lebensräume am Weg

Strundetal und Geopfad
Start ab Parkplatz an der Papiermühle Alte Dombach, Alte Dombach, 51465 Bergisch Gladbach; ab S-Bahnhof Bergisch Gladbach mit Buslinie 426 Richtung Wipperfürth bis Haltestelle „Dombach“

Lucretiasee und Villewälder
Start ab Parkplatz Am Birkhof, 50321 Brühl, neben der „Phantasialandstraße“ zwischen Brühl undWeilerswist

Informationen zum Schutz wilder Orchideen:
Arbeitskreise heimische Orchideen
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. (BUND NRW e.V.)
NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V.

Tags: Natur

Kategorien: Raus aus Köln