A- A A+

Leben in Köln

Wirtschaft und Wurzeln

David Korsten-KölnerLeben Ausgabe 6/2017 · 23.03.2018

Foto: Volker Dennebier

Foto: Volker Dennebier

Bei Godorf im Bezirk Rodenkirchen denkt mancher wohl zuerst an Ikea, Hafen und Industrie. Aber wie leben die älteren der insgesamt etwa 2.500 Einwohner im Veedel? KölnerLeben hat sich vor Ort umgehört.

Kühl ist es an diesem Oktobermorgen im Kölner Süden. Die Tür der kleinen Bäckerei an der Godorfer Hauptstraße steht offen, Menschen gehen ein und aus. Manche versorgen sich mit Brötchen und Zeitungen. Andere bleiben auch länger, trinken Kaffee, halten ein Schwätzchen und grüßen Bekannte. „Das ist schon so ein Treffpunkt hier für unsere Dorfgemeinschaft“, sagt Steffen Schröder, 43, und nimmt einen Schluck aus seinem Kaffeebecher. Er habe vorher in Wesseling gewohnt. Jetzt sei er seit ein paar Jahren in Godorf. Ihm gefällt, dass es hier so beschaulich zugeht.

Der Ortskern hat dörflichen Charakter, es gibt einige Fachwerkhäuser, manche Gebäude lassen erkennen, dass sie einst Bauernhöfe waren. Godorf ist aber vor allem von Industrie geprägt. „Wir sind hier regelrecht umkesselt“, sagt ein älterer Anwohner. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand der Hafen – damals hieß er noch Wesselinger Hafen. Das erste Hafenbecken ging 1928 in Betrieb, 1960 wurde er in Godorfer Hafen umbenannt. Im gleichen Jahr wurde hier die größte deutsche Shell-Raffinerie eröffnet, und schon einige Zeit später war der Hafen Europas größter Umschlagplatz für Braunkohle. Für Liebhaber von Industriekultur ist die Kulisse beeindruckend, insbesondere die nächtliche Beleuchtung. Den Anwohnern hingegen ist sie eher ein Dorn im Auge, nicht zuletzt wegen der Störfälle, die auf dem Werksgelände immer wieder auftreten.

Um den Hafenausbau wird seit gut zehn Jahren gerungen: Während Befürworter etwa den Zuwachs an Arbeitsplätzen anführen und argumentieren, dass so ein Großteil des Lkw-Verkehrs nach Niehl entfallen könnte, protestierten eine Bürgerinitiative, Umweltverbände und auch Teile der Politik gegen die Erweiterung. Das Projekt liegt, so sieht es zumindest derzeit aus, auf Eis. Und bis die Rheinbrücke, ein weiteres Großvorhaben, Godorf mit dem rechtsrheinischen Niederkassel verbindet, wird es wohl noch mindestens 15 Jahre dauern.


Foto: Volker Dennebier    

Heute leben knapp 2.500 Menschen in dem Stadtteil, der im Osten an Sürth und den Rhein und im Norden an Hahnwald grenzt. Westlich liegt Immendorf, Wesseling ist im Süden. Das mittlere Alter liegt über dem Kölner Durchschnitt. Wie ist das Leben hier insbesondere für die älteren Menschen? „Furchtbar“, sagt Helga Franz, 73, die seit 45 Jahren in Godorf lebt. „Es gibt keine Ärzte und keine Apotheke.“ Für Untersuchungen müsse man immer mit dem Taxi fahren, etwa nach Wesseling. Aber das liege außerhalb der Stadtgrenze, die Tour sei daher teuer. Auch die Bank habe vor einigen Jahren geschlossen. Es gebe zwar einen Geldautomaten, räumt sie ein. Aber besser sei es doch, wenn man einen Ansprechpartner vor Ort habe. Wäre ihr Mann nicht an Demenz erkrankt, wäre sie vermutlich schon zu den Töchtern nach Westfalen gezogen, sagt sie nachdenklich.

„Hier fehlt alles“, meint auch Paul Conrad, 68. Er sei vor etwa zehn Jahren „aus Köln“ weggezogen – er sagt das so, als ob Godorf nicht mehr wirklich zu Köln gehöre. Die Miete sei ihm in der Stadt zu teuer geworden, weshalb er zuerst in Immendorf gelandet sei. „Aber da war der Hund begraben. Aber wenn man ehrlich ist: Viel anders ist das hier auch nicht“, sagt Conrad.

Verkehrsbelastung und Umweltprobleme

Wer mit den Ur-Godorfern spricht, bekommt immer wieder zu hören, dass sich hier vieles zum Negativen entwickelt habe. Vor allem die Verkehrsbelastung und die Umweltprobleme beschäftigen viele. Von den ehemals etwa zehn Kneipen, meint ein Herr mit kariertem Jackett und grauen Haaren, sei nur noch eine übriggeblieben. Und das örtliche Hotel sei in den 1960er Jahren „eine der besten Adressen zwischen Bonn und Köln“ gewesen, erinnert er sich. Regelmäßig hätten hier an den Wochenenden Maseratis, Porsches und Mercedes Station gemacht.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Wer nicht hier lebt, den zieht es wohl vor allem wegen der Metro oder wegen Ikea nach Godorf. Warum aber bleiben die Menschen hier, in ihrer „bunten Hafenstadt“, wie es eine ältere Dame ironisch ausdrückt? „Wir sind Godorfer. Meine Wurzeln sind hier“, bringt es ein 90-jähriger Anwohner auf den Punkt. „Ich lebe hier ruhig in meinem eigenen Haus und bin Gott sei Dank noch mobil“, sagt er und steigt mit Zeitung und Brötchentüte unterm Arm in sein Auto

In dieser Serie stellt KölnerLeben je ein Veedel aus jedem der neun Stadtbezirke vor:

Riehl
Dünnwald
Deutz
Neubrück
Godorf
Ehrenfeld

Godorf in Zahlen

(in Klammern zum Vergleich immer kleinster und größter Wert in der Stadt Köln; Quelle:
Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Stand: 31.12.2015)

Fläche: 4,59 Quadratkilometer
(Mauenheim 0,49 / Eil 16,25)

davon Erholungsflächen: 1,9 Prozent
(Immendorf 0,9 / Höhenberg 43,3)

Einwohner: 2.432 insgesamt, je Quadratkilometer 530
(Roggendorf 299 / Neustadt-Süd 13.596)

Alter: 562 (23,1 Prozent) älter als 60 Jahre
(Ehrenfeld: 15,3 / Heimersdorf 34,5)

Alle für Senioren wichtigen Adressen sind erhältlich beim Beratungstelefon für Senioren: Tel. 0221 / 221-2 74 00

Tags: Stadtteile

Kategorien: Leben in Köln