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Leben in Köln

Wer spukt denn da im Untergrund?

bevi · 24.02.2019

Georg Brandl (links) und Jochen Pape beim Eröffnungskonzert in der U-Bahn- Station Appellhofplatz. Foto: Mob Desi

Georg Brandl (links) und Jochen Pape beim Eröffnungskonzert in der U-Bahn- Station Appellhofplatz. Foto: Mob Desi

Tausende fahren täglich daran vorbei: an den Porträts in der U-Bahn-Station Appellhofplatz. Aber wie kamen sie dorthin?

Köln an einem Wochenende im Jahr 1990. In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist es still in den Schächten des unterirdischen Liniennetzes der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB). Die letzten Straßenbahnen sind in die Betriebshöfe zurückgekehrt.

Ein Flashmob im Untergrund

Gegen halb zwei kommt plötzlich Leben in die Bude. Das Licht geht an. Ein Schlagzeug, Verstärker und Mikrofonständer werden aufgebaut. Menschen strömen in die U-Bahn-Station. Jochen Pape erinnert sich noch gut daran: „Wir haben damals mit unserem Duo ‚Mob Desi‘ die Vernissage der Kölner Köpfe eröffnet. Die Aussicht auf ein Konzert im U-Bahn-Tunnel, mitten in der Nacht, war sehr verlockend. Denn das war anders. Und anders wollten wir definitiv sein!“

Anders sein wollten auch die Künstler, die hinter der Aktion stecken. Justus Herrmann ist einer von ihnen. „Wir haben vorher schon ein paar Mini-Flyer verteilt“, erinnert er sich. „Alles mit den einfachsten Mitteln hergestellt. Ansonsten lief das über Mundpropaganda. Und dann sind nach der Sperrstunde in den Kneipen und Clubs auf einmal Hunderte von Leuten in die Haltestelle geströmt.“

Natürlich war die Aktion angemeldet und genehmigt. Sowohl die Stadt als auch die KVB hatten ihr Okay gegeben. Der Starkstrom der Oberleitung war ausgeschaltet, damit niemand zu Schaden kommen konnte. „Die einzige Auflage war: Wir sollten darauf achten, dass keiner in den Tunnel lief“, schmunzelt Herrmann. „Das haben dann natürlich trotzdem welche gemacht. Ist dann ja auch eine ziemlich wilde Party geworden. Aber so war das eben damals. Alles noch eine Spur lockerer als heute.“ Am Ende des Konzertes wurden die Leute gebeten, die verhängten Porträts zu enthüllen. Nach anderthalb Stunden war der Spuk vorbei und es kehrte wieder Stille ein in den Kölner Untergrund.

Sylvie Desroches, Reisende – Holger Gericke, Maler und Videomacher
Sylvie Desroches, Reisende – Holger Gericke, Maler und Videomacher; alle Porträts entstammen der Broschüre „kölner köpfe – eine Installation im U-Bahnhof Appellhofplatz“, die die Künstlergruppe Tabot Velud 1990 anlässlich der Eröffnung herausgab

Susanne Königsmann, Stud. rer. pol. – Rosemarie Hötzl
Susanne Königsmann, Stud. rer. pol. – Rosemarie Hötzl

Willy Millowitsch, Volksschauspieler – Michael Görres, Modell
Den Herrn links kennt wohl jeder. Aber wer ist der junge Mann neben Willy Millowitsch? Sein Name ist Michael Görres. Er stammt aus dem studentischen Umfeld der Künstler und verdiente sich damals ein kleines Zubrot als Modell.

Pochoirs: schnell, vergänglich, reproduzierbar

Begonnen hatte alles an einem lauen Sommertag des Jahres 1988, in einem Park im Stadtteil Ehrenfeld. Dort trafen sich die vier Freunde: eben Justus Herrmann, Hans-Peter Dürhager, Ralf Jesse und Andreas Paulun. Paulun zauberte ein Bild aus einem weißen Plastikkoffer und präsentierte es seinen Freunden mit den Worten: „Das ist ein Pochoir.“

Pochoirs waren zu jener Zeit eine noch recht unbekannte Kunstform. Für das Motiv wird eine Schablone hergestellt. Diese wird auf den Untergrund gedrückt, mit einer Spraypistole dann der Lack aufgetragen. Für ein buntes Motiv wird pro Farbe eine Schablone benötigt.

Die Kölner Pochoiristes von 1988 wollten etwas machen, das die menschliche Vielfalt der Stadt, in der sie lebten, zum Ausdruck brachte. So entstand die Idee der „Kölner Köpfe“ als ein Anliegen, einzelne Gesichter aus der Anonymität der Masse hervorzuheben. Und die Vielfalt ist gelungen: ein Boxer, ein Kind, eine Nonne, Künstlerinnen und Künstler, eine Marktfrau, eine Straßenbahnfahrerin, Journalisten, Musiker, ein Kapitän der Köln-Düsseldorfer, eine Kioskbesitzerin, ein Imbissverkäufer … und natürlich auch ein paar Kölner Prominente.

Martin Vehof, Kind – Milorad Jevremović, Boxer
Martin Vehof, Kind – Milorad Jevremović, Boxer

Helmut Sohnle, Aids-Hilfe Köln und Sänger – Hubertine Ender, Kioskbesitzerin
Helmut Sohnle, Aids-Hilfe Köln und Sänger – Hubertine Ender, Kioskbesitzerin

 

Von Alfred Biolek bis Edith Niemann... Lesen Sie auf Seite 2, wie die Idee Wirklichkeit wurde und stöbern Sie durch die Bildergalerie mit allen Köpfen

Tags: Geschichte

Kategorien: Leben in Köln