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Leben in Köln

Tafel für Kultur

Jürgen Schön · 14.02.2020

Konzerte, Kabarett, Theater, Tanz – für jeden Kulturgeschmack ist etwas dabei. Foto: Gürzenich-Orchester, © Matthias Baus

Konzerte, Kabarett, Theater, Tanz – für jeden Kulturgeschmack ist etwas dabei. Foto: Gürzenich-Orchester, © Matthias Baus

Neben ausreichend Lebensmitteln gehört auch Kultur zum Lebensbedarf eines Menschen. Doch dafür reicht die Sozialhilfe oft nicht. Die Kulturliste hilft.

„Es war ein schöner Abend“, bilanziert Jan Bischoff. Er hat sich gerade im Theater am Sachsenring „Die Weihnachtsengel“ angesehen. „Sehr unterhaltsam und witzig“, fasst er seinen Eindruck von der Komödie zusammen. Möglich gemacht hat den Besuch der Verein „Kulturliste Köln“.

Eigentlich ist der 58-Jährige ein Fan klassischer Musik. Doch Konzertbesuche kann sich der Frührentner und Köln-Pass-Besitzer nicht mehr leisten. Eigentlich. Doch weil er auf der Gästeliste der Kulturliste steht, ist immer wieder auch der Besuch eines klassischen Konzerts möglich. Oder der Oper„Turandot“. Und jetzt eben auch ein Abend im Sprechtheater. „Für mich eine ganz tolle Entdeckung“, schwärmt er.
Damit erfüllt die „Kulturliste“ genau ihr Ziel: auch den Menschen, die es sich sonst finanziell nicht leisten können, die Teilhabe am kulturellen Leben möglich machen. Klingt etwas sperrig, meint aber: Zum erfüllten Leben braucht der Mensch eben auch Musik, Theater, Ausstellungen, Lesungen oder Vorträge. Das sind genauso „Lebensmittel“ wie Kartoffeln, Brot, Gemüse oder Fleisch.


Foto: Stollwerck, © SilkeZ / resistdance

Kultur – lebenswichtig

Für letztere Lebensmittel gibt es schon seit vielen Jahren die „Tafeln“, bei denen sich Bedürftige mit dem Nötigen versorgen können. „Tafeln“ für Kultur sind neu. Die erste in Deutschland wurde im Jahr 2010 gegründet. Schon 2012 folgte Köln. „Wir sind ein junger Verein“, freut sich die stellvertretende Vorsitzende Susanne Wankell. „Wir haben fast fünfzig Mitglieder, das Durchschnittsalter liegt bei vierzig Jahren. “Fünfzehn von ihnen betreuen ehrenamtlich die Verteilung der gespendeten Karten an die aktuell rund 1.500 Gäste. „Unser Ziel sind 5.000“, so Susanne Wankell.


Foto: Liza Kos Trio, © Michel Kitenge

Wer Gast werden, also eine kostenlose Eintrittskarte haben will, muss die Bedürftigkeit nachweisen, etwa durch den Bescheid über Grundsicherung oder den Köln-Pass. „Alle Daten werden vertraulich behandelt“, versichert Wankell. Denn niemand soll sich für seine „Armut“ schämen müssen. Schließlich kann jeder Gast seine Vorlieben ankreuzen: ein gutes Dutzend Kategorien stehen zur Auswahl. Von Theater über Tanz, Kino, Kinderprogramme, Klassik, Jazz bis zu Lesungen. Natürlich sind Mehrfachnennungen möglich.


Foto: Oper Köln - Konzert Tanzbrunnen, © Paul Leclaire

Aktuell stellen fünfzig Kölner Institutionen Freikarten zur Verfügung. Die Liste dieser „Kulturpartner“ spiegelt die Vielfalt des kulturellen Lebens in Köln wider. Sie reicht von A wie „Akademie der Künste der Welt“ bis W wie „WDR Klangkörper“. Dazwischen so bekannte wie Gürzenich Orchester, Oper und Schauspiel. Natürlich auch die bunte, freie Theaterszene, der Bach-Verein, die Mayersche Buchhandlung, das Allerweltshaus, Stadtgarten, Gloria, Filmpalette, lit.COLOGNE oder Reim in Flammen. Mit weiteren Institutionen laufen Verhandlungen.

Die Karten werden meist mehrere Tage vorher gespendet, oft aber auch sehr kurzfristig. Für den Gast sind sie an der Abendkasse hinterlegt. Stellt etwa ein Jazzclub Karten für ein Konzert zur Verfügung, wird der Erste auf der Spartenliste „Jazz“ angefragt. Sagt er – verpflichtend! – zu, wird sein Name wieder ans Ende der Liste gesetzt. So kommt auf Dauer gesehen jeder und jede einmal in den Genuss. Der Gast muss dafür aber ein Telefon und/oder eine E-Mail-Adresse haben. Dass es klappt, zeigt die bisherige Bilanz: Seit ihrer Gründung konnte die Kölner Kulturliste rund 20.000 Kartenwünsche erfüllen.

Von Anfang an dabei war auch das Theater im Bauturm. Irgendwann war die Kooperation allerdings eingeschlafen. „Keine Ahnung, warum“, wundert sich Arne Schmidt, der dort für den Verkauf der Eintrittskarten zuständig ist. Seit Mitte des vorigen Jahres ist die kleine freie Bühne an der Aachener Straße wieder dabei – und wurde prompt zum Kulturpartner des Monats gekürt.


Foto: Hamlet - Oper Köln, © Paul Leclaire

Ein bunt gemischtes Publikum

„Ein Theater hat auch eine soziale Aufgabe“, erklärt er. „Da ist die Kulturliste eine gute Sache. Sie hilft, das Publikum vielfältiger zu machen.“ Und darauf legt er Wert: „Die Besucher von der Kulturliste sind keine Lückenfüller für schlecht besuchte Vorstellungen.“ Dafür spricht, dass er für sein Theater die Karten schon eine Woche im Voraus bereitstellt. Und zwar in der Regel jeweils zwei.

Nicht nur einzelne Personen können sich auf der Gästeliste eintragen. Karten werden auch an Sozialpartner verteilt. Etwa an Flüchtlingsinitiativen, Seniorenorganisationen oder Obdachlosen-Hilfen. An diese Institutionen gehen auch Karten für eine ganze Familie. Sonst gibt es in der Regel zwei Karten – für den Gast und eine Begleitung. Ein Angebot, das auch Jan Bischoff schätzt und lobt: „Schließlich will man sich nach einem Theaterbesuch auch darüber unterhalten, was man gerade gesehen hat.“ Das gilt für das ganze reiche Repertoire der Veranstaltungen der Kulturliste.

Informationen

Kulturliste Köln e. V.

Piusstr. 40


Bürozeiten:
Mo 18–20 Uhr,Di 18–20 Uhr
Mi 12–14 Uhr
Do 14–16 Uhr
Tel. 0221 / 17 05 74 52

Der Flyer mit Anmeldeformular steht zum Herunterladen zur Verfügung auf www.kulturliste-koeln.de

 

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Tags: Kino , Konzert , Kulturveranstaltungen , Lesung , Oper , Tafel , Tanz , Theater

Kategorien: Leben in Köln