Kultur
Hinter den Kulissen – wie das Stadtmodell nach Köln kam
Antje Schlenker-Kortum · 05.10.2021
Foto: Max Gäde
Unglaublich. Sie planen seit langem die Ausstellung über Köln 1945-1948 und das schwedische Kino baut die Kulisse dazu. Was für ein Glücksfall!
Man kann es durchaus eine glückliche Fügung nennen, aber vor allem können wir das Modell präsentieren, weil wir gute Beziehungen zu dem Verein „Köln im Film“ pflegen. Dank ihnen und dem „Film Festival Cologne“ sind wir auf das Modell aufmerksam geworden.
Das heißt, allein für die Beschaffung war viel Vorarbeit notwendig. Worin lagen die größten Herausforderungen?
Das Thema Nachkriegszeit birgt an sich schon viele Herausforderungen, aber auch spannende Geschichten. Das Modell aus Schweden nach Köln zu bekommen gestaltete sich – vor allem durch Corona – als eine organisatorische Herausforderung. Die Kooperation zwischen dem schwedischen Team und den zuständigen Kolleginnen und Kollegen des Stadtmuseums lief jedoch einwandfrei.
Gab es ein persönliches Aha-Erlebnis, als Sie das zerstörte Köln so leibhaftig vor sich sahen?
Beeindruckt war ich vor allem durch die Größe des Modells, das für eine circa zweiminütige Filmszene angefertigt wurde. Aber auch die Detailtreue beim Kölner Dom hat mich sehr fasziniert. Genauso wie die mühsame kleinteilige Handarbeit für jedes einzelne Haus. Es ist spannend, das Modell zu betrachten und verschiedene Orte und Gebäude wiederzuerkennen – auch mit den Kriegszerstörungen.
Wie viel Handarbeit steckt da drin?
Die Häuser sind alle mit Hilfe eines Lasers zugeschnitten worden und haben dann in feiner Handarbeit ihre individuellen Kriegsschäden erhalten. Der Plan stammt vom Leitenden Bühnenbildner Anders Hellström, der mit dem schwedischen Team Studio 24 – der Roy Andersson Film Produktion - zusammengearbeitet hat. Der Bau hat einen Monat gedauert. Vorher gab es aber bereits eine einmonatige Vorbereitungszeit.
Es handelt sich um eine Kulisse - für den Film wurde im Nachhinein viel digital hinzugefügt. Wie historisch genau ist das Modell?
Das Modell wurde anhand von Luftaufnahmen der Alliierten des zerbombten Kölns 1945 angefertigt. Dass es sich um eine Filmkulisse handelt, kann man zum Beispiel am fehlenden Hauptbahnhofsgebäude erkennen oder an der Seite des Domes. Sie wurde nicht vollendet, weil sie in der Szene nicht zu sehen ist. Es entsteht also ein spannendes Zusammenspiel zwischen historischem Modell und Filmkulisse. Nicht jede Straße ist zentimetergenau zu erkennen. Das damalige Stadtbild und das Ausmaß der Kriegsschäden sind jedoch sehr gut zu erfassen. Größere Gebäude wie beispielsweise die alte Markthalle am Heumarkt, die zerstörten Brücken oder die Kirche Groß St. Martin sind sehr detailgetreu gestaltet worden.
Welch mystisches Bild: Der Dom steht vergleichsweise unversehrt inmitten der Ruinen. Scheinbar. Wie sah die Wirklichkeit aus?
Köln war 1945 eines der Hauptangriffsziele der Bombenangriffe der Alliierten und auch der Dom erlebte viele Schäden. Wie durch ein Wunder blieb er als Mahnmal in der Trümmerwüste stehen, obwohl er in direkter Nähe zum Hauptknotenpunkt - dem Bahnhof - seinen Platz hat. Insgesamt wurde der Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg 14 Mal durch schwere Sprengbomben und über 70 Mal durch Brandbomben getroffen. Fast alle Gewölbe des Mittelschiffes stürzten ein. Die Orgel und ein Teil der Fenster aus dem 19. Jahrhundert wurden zerstört. Am gesamten Bau zeigten sich zahlreiche größere und kleinere Absprengungen. Besonders gefährlich war ein Bombentreffer an einem der Turmpfeiler. Noch während des Krieges fand eine provisorische Reparatur mit Ziegelsteinen statt. Noch heute finden sich Einschusslöcher an der Fassade des Doms.
Das Modell erstreckt sich auf eine Fläche von fünf mal fünf Metern. Da wünscht man sich eine Vogelperspektive. Wie werden die Besucher die einzelnen Details entdecken können?
Das Modell wird als einziges Objekt in einem extra dafür gebauten Raum zu sehen sein und atmosphärisch mit Bildern und Ton präsentiert. Zu viel möchte ich allerdings noch nicht verraten.
Schon das klingt nach einem Erlebnis. Wie fügt sich das Modell in den Rahmen der Ausstellung?
Das Modell wird der Ausgangspunkt und das zentrale Objekt sein. Ausgehend vom zerbombten Köln 1945 wird der Alltag in Trümmern erzählt. Anhand von Fotografien, Plakaten, Grafiken und Objekten können die Besucher die Herausforderungen, Sorgen und Hoffnungen der Menschen in der Stadt erleben. Aber es wird auch eine Verbindung zu unserem heutigen Leben geben: mit aktuellen Fotografien der „Kriegsnarben“. Dazu werden aber auch die Orte des Erinnerns und Mahnens in Bezug gesetzt. Außerdem werden beispielsweise ein CARE-Paket samt Inhalt und eine Wahlurne der ersten Kommunalwahl der Nachkriegszeit zu sehen sein.
Alles in allem eine tiefgehende Geschichte. Es wäre schön das Stadtmodell dauerhaft im Museum sehen zu können. Was passiert damit nach der Ausstellung?
Das Modell gehört der Roy Andersson Filmproduktion. Nach der Ausstellung wird es wieder zurück nach Schweden gebracht, wo es ab März 2021 ebenfalls ausgestellt werden soll. Bei so einem beeindruckenden Modell haben wir natürlich über einen Erwerb nachgedacht.
Auch dabei wünschen wir weiterhin viel Erfolg! Vielen Dank für das Interview.
Achtung: Die Ausstellungsflächen sind zurzeit geschlossen. Ab 2022 wird neu eröffnet: in der Minoritenstraße 13.
Hier ein Rückblick auf die vergangene Sonderausstellung des Kölnischen Stadtmuseums „Köln im Jahr 1945“
ein Beitrag vom April 2021:
Die Sonderausstellung des Kölnischen Stadtmuseums zeigt das Leben in der Rheinmetropole von 1945 bis 1948. Im Mittelpunkt der eindringlichen Zeitreise steht dieses raumgreifende Stadtmodell, das Köln unmittelbar nach Kriegsende zeigt.
Stadtmodell „Köln im Jahr 1945“, Requisite aus dem schwedischen Spielfilm von Roy Andersson „Über die Unendlichkeit“ (Studio 24, Foto: Foto: Kölnisches Stadtmuseum, Rheinisches Bildarchiv Köln, Sabrina Walz)
Das 5 mal 5 Meter große Modell wurde in wochenlanger Detailarbeit für den preisgekrönten schwedischen Spielfilm „Über die Unendlichkeit“ produziert – für die Schlüsselszene, in der ein eng umschlungenes Liebespaar über das zerstörte Köln fliegt. Dank der Vermittlung des Film Festivals Cologne und des Vereins Köln im Film e.V. wurde das Kölnische Stadtmuseum bereits früh auf das Modell aufmerksam – und gewann es als Leihgabe für die geplante Sonderausstellung.
Eindrucksvoll verdeutlicht das Modell das Ausmaß der Zerstörungen durch die – durch den NS-Terror ausgelösten – Bombenangriffe seit 1942: Die Altstadt liegt in Trümmern, kaum ein Gebäude ist mehr oberirdisch bewohnbar, Brücken und Kirchen sind zerstört – nur der Dom ragt nahezu unbeschädigt aus der gespenstischen Ruinenlandschaft heraus.
Die Ausstellung lässt diese unmittelbare Nachkriegszeit in Köln von 1945 bis 1948 lebendig werden. Außerdem zu sehen: Dokumentationen der noch immer vorhandenen baulichen „Kriegsnarben“ in der Stadt sowie die im Stadtraum sichtbaren Mahnmale der Gegenwart.
Lust auf eine Blitz-Führung? Museumsdirektor Dr. Mario Kramp und Kuratorin Yvonne Katzy begleiten Sie persönlich durch die Ausstellung. Diese Kurzführungen dauern jeweils knapp anderthalb Minuten und führen durch alle Ausstellungsräume.
Sehen Sie die 1. Folge der kleinen virtuellen Führung. Quelle: Kanal des Kölnischen Stadtmuseums auf YouTube
Alle anderen der mehr als 20 Folgen finden Sie hier.
Mehr Infos sowie Filme und Fotos zur vergangenen Ausstellung "Alltag in Trümmern" finden Sie im digitalen Rückblick auf der Seite des Kölnischen Stadtmuseums.
Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstr. 1
50667 Köln
Tel. 0221 / 22 12 57 89
Webseite: www.museenkoeln.de/koelnisches-stadtmuseum
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Tags: Kölner Stadtgeschichte , Museum
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