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Leben in Köln

Kölns klassische Klangkörper

David Korsten-KölnerLeben Ausgabe 5/2017 · 29.09.2020

Foto: WDR/Klaus Langer

Foto: WDR/Klaus Langer

Köln ist die Heimat dreier renommierter Orchester, die die Liebhaber klassischer Musik verwöhnen. Wie sieht das Leben eines Orchestermusikers aus? Wie wird man Ensemblemitglied im Gürzenich-Orchester? Der Solo-Oboist Tom Owen gewährt Einblicke in das Innere des städtischen Musikensembles.

Es ist eines der berühmtesten Anfangsmotive der klassischen Musik überhaupt, das am 22. November 1857 den Konzertsaal des Gürzenich erfüllt: Die markant-rhythmischen Anfangstöne von Beethovens Fünfter Sinfonie gaben den Auftakt zum ersten Gürzenich-Konzert. Der städtische Fest- und Tanzsaal, in dem seit 1821 immer wieder Konzerte stattgefunden hatten, galt seinerzeit als einer der schönsten Konzertsäle und wurde nun die feste Spielstätte des Städtischen Orchesters. Der Volksmund taufte es schon bald „Gürzenich-Orchester“, doch erst seit November 1945 trägt das Orchester auch offiziell diesen Namen.

Seit der Spielzeit 2015/16 ist Francois-Xavier Roth Chefdirigent. Beeindruckend liest sich auch die Liste der Gastdirigenten, darunter berühmte Namen wie Johannes Brahms, Richard Strauss und Gustav Mahler. Letzterer schrieb 1904 in einem Brief an seine Frau Alma: „Das Orchester ist entzückend, eine wahre Freude!“

130 Musiker spielen im Gürzenich-Orchester

Heute ist das Gürzenich-Orchester mit klassischen und zeitgenössischen Werken eines der führenden Ensembles in Deutschland. Als Orchester der Oper Köln, wo es an bis zu 160 Vorstellungen im Jahr mitwirkt, trägt es maßgeblich zum Erfolg dieses Hauses bei. Dazu kommen in jeder Saison 50 Konzerte, die es als eines der beiden Hausorchester der Kölner Philharmonie gibt.

Auch international genießen die beinahe 130 Gürzenich-Musiker einen hervorragenden Ruf, so zum Beispiel Tom Owen. Der 37-jährige gebürtige Engländer ist seit 2006 Solo-Oboist. Zudem spielt er als Gastmusiker regelmäßig mit anderen Orchestern.


Foto: Matthias Baus

Vor der Harmonie: Hartes Bewerbungsverfahren

Wer Orchestermusiker werden will, muss nicht nur Fleiß und Talent mitbringen, sondern auch einen harten Bewerbungsprozess durchlaufen. „Es gehören eine gehörige Portion Glück und die richtige Tagesform dazu“, sagt Owen. Denn die wenigen freien Plätze sind heiß begehrt. Auf eine Stelle bewerben sich bis zu 200 Künstler, etwa 20 bis 40 werden zum Vorspielen eingeladen - und da hat jeder nur fünf Minuten Zeit, um zu überzeugen. „In diesen fünf Minuten hören alle Orchestermitglieder genau hin und überlegen, ob der jeweilige Bewerber zu ihnen passt“, erzählt Owen. Das Verfahren ist demokratisch und transparent, jedes Ensemblemitglied hat eine Stimme.

War das Solo-Vorspiel erfolgreich, folgt die zweite Bewerbungsrunde. Diesmal spielt der Kandidat mit dem gesamten Orchester, zu dem Streichinstrumente, Holz- und Blechbläser sowie Pauken, Schlagzeug und Harfe gehören. Dabei kommt es darauf an, wie gut er mit den Mitspielern harmoniert und wie er auf die Anweisungen des Dirigenten reagiert. „Es kommt durchaus vor, dass wir uns am Ende für keinen der Bewerber entscheiden“, erläutert Owen. Die harten Aufnahmebedingungen seien jedoch keine Schikane, sondern notwendig. „Schließlich spielen wir für die nächsten dreißig, vierzig Jahre zusammen. Da muss schon alles passen – für beide Seiten“, begründet der Oboist die Vorgehensweise. Ein neues Ensemblemitglied erhält zunächst einen Vertrag über ein Jahr. Erst nach dieser Probezeit gilt die Festanstellung bei der Stadt Köln bis zur Rente.

Üben macht den Meister

Fast jeden Tag probt das Orchester, meist etwa drei Stunden, oft auch länger. „Die längste Probe dauerte acht Stunden. Der Dirigent wollte viel ausprobieren“, sagt Tom Owen. Schließlich habe jeder Dirigent eine eigene Vorstellung davon, wie das Orchester die Noten auf dem Papier in Klang übersetzen soll. Wenn keine gemeinsamen Proben stattfinden üben die Musiker etwa zwei bis drei Stunden alleine. Auch das gehöre laut Arbeitsvertrag zum Job, sagt Owen. „manchmal würde ich mir wünschen, der Tag hätte noch zehn Stunden mehr“, sagt der Engländer. Denn zusätzlich zu Orchester- und Solokonzerten verfolgt er noch weitere Projekte, gibt Meisterkurse an der Folkwang Hochschule in Essen, in England und Italien.

Tags: Kultur , Musik

Kategorien: Leben in Köln