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Kölner Genossenschaft – Trinken für die Demokratie
René Denzer · 29.02.2024
Uwe (links) und Maurus sind Genossen mit Arbeits-, Stimm- und Trinkrecht. Foto: René Denzer
Maurus steht hinter der Theke. Ein Gast ruft ihm eine Bestellung zu. „Drei Pale Ale auf die Sieben“, gibt Maurus diese an Kristine weiter. Sie bringt das Bier zu den Gästen. Die Kneipe an der Subbelrather Straße gehört Kristine und Maurus. Und Uwe, der an der Theke bei einem Glas Weißwein und einem stillen Wasser sitzt. Aber auch Marian, Hannah, Dario und Felizitas. Sowie vielen weiteren Leuten. Rund 250 sind es. Denn anders als andere Kneipen ist diese hier genossenschaftlich geführt. „Jede und jeder von uns ist Eigentümerin und Eigentümer, Mitarbeitende und Gast“, lautet der Grundsatz der Kneipe. Ein Novum in Köln.
Von der Idee zur Genossenschaft
Die Idee dazu hatten Kai Berthold und Jan Buckenmayer vor einigen Jahren während des gemeinsamen Design-Studiums. „Wir haben uns die Frage gestellt, wie können wir Demokratie fördern?“, sagt Berthold. Die Antwort: indem Demokratie gelebt wird. Dafür müssen Menschen zusammenkommen. Kai und Jan kamen zu dem Schluss, dass eine Kneipe der passende Ort und die Genossenschaft das richtige Mittel dafür sind. „Die Kneipe als trojanisches Pferd, um den Leuten Demokratie unterzujubeln“, so Berthold augenzwinkernd.
Denn in einer Genossenschaft sind alle Mitglieder bei Entscheidungsfindungen einbezogen. Die jährliche Generalversammlung entscheidet Grundsätzliches: Welche Werbepartnerschaft wird eingegangen? Welche Möbel werden angeschafft? Und sie wählt einen Aufsichtsrat, der wiederum einen dreiköpfigen geschäftsführenden Vorstand bestellt. Ein „Plenum“ trifft sich monatlich und entscheidet über kleinere, alltägliche Fragen. Zum Beispiel darüber, ob es zu einer bestimmten Veranstaltung ein Sondergetränk gibt. Die Mitglieder aller Gremien arbeiten ehrenamtlich.
Schon das Logo über dem Eingangsbereich zeigt, worum es geht: Die variable Endung setzt ein Zeichen für Vielfalt. Foto: Lydia Schneider-Benjamin
Doch zurück zum Anfang: Um das Projekt starten zu können, wurden im Herbst 2018 Spenden in Höhe von rund 56.000 Euro gesammelt. Satzung, Struktur und Businessplan wurden erstellt und geprüft. Schließlich galt es, geeignete Räumlichkeiten zu finden und den Vermieter zu überzeugen. „Das war nicht leicht. Auch, weil etlichen Leuten das Prinzip der Genossenschaft nicht geläufig ist“, sagt Berthold. An der Subbelrather Straße, schräg gegenüber dem St.-Franziskus-Hospital, wurden sie fündig.
Junge und alte Mitglieder
Schnell kamen weitere Mitglieder hinzu. Studierende, Menschen mittleren Alters, Seniorinnen und Senioren. „Die Motivation, bei uns mitzumachen, ist sehr unterschiedlich“, erzählt Berthold, „da gibt es die, die schon immer mal eine Kneipe besitzen wollten, und andere, die etwas für ihr Veedel tun wollen.“
„Wir haben uns die Frage gestellt, wie können wir Demokratie fördern?“
Berthold Buckenmayer, Mitinitiator.
Bei Kristine sind es gleich mehrere Faktoren. Sie wohnt nebenan und bezeichnet die Kneipe als ihr zweites Wohnzimmer. Wenn es hier brummt, packt sie mit an. Aber auch ihre Kunst hat sie hier schon ausgestellt. Und Uwe (65) findet „das Projekt faszinierend“. Er wohnt „um die Ecke“ und schaut ein bis zwei Mal die Woche rein. Er genießt die Stimmung, die Kulturveranstaltungen, die Gespräche mit anderen Menschen. Und er findet, dass die Genossenschaft eine gute Form des Wirtschaftens ist. Vor allem, weil das Projekt auf viele Schultern verteilt ist.
Das hat 2020, als die Kneipe aufgemacht hat und wegen Corona gleich wieder schließen musste, sehr geholfen. So hat keine Existenz eines Einzelnen auf dem Spiel gestanden. Kristine ist wie die meisten ehrenamtlich im Einsatz, nur das Barpersonal wie Maurus ist angestellt. Der 41-Jährige ist seit 2020 dabei und seit Sommer 2021 Barleiter. Er bringt Erfahrungen als Kneipenbesitzer in Bielefeld und Köbes in Köln mit. Zusammen mit einem Vorstandsmitglied kümmert er sich auch um den Einkauf.
Demokratische Abstimmung in Kölner Kneipe
Professionalität ist auch in einer genossenschaftlich geführten Kneipe wichtig. Denn auch sie soll Gewinne erwirtschaften, sich selbst finanzieren und irgendwann ihren Mitgliedern sogar eine Dividende oder auch eine Rückvergütung liefern. In ein bis zwei Jahren sei damit zu rechnen, ist Berthold zuversichtlich. Und damit es bei Demokratie bleibt: Alle sind gleichberechtigt. Auch wenn eine Person bis zu 16 Anteile zu je 250 Euro kaufen kann, gilt: Jedes Mitglied hat nur eine Stimme. Das ist wichtig, denn es gibt durchaus unterschiedliche Meinungen.
Jedes Mitglied hat nur eine Stimme. Das ist wichtig, denn es gibt durchaus unterschiedliche Meinungen.
Das hat auch bei der Namensgebung der Kneipe eine Rolle gespielt. Einige Mitglieder stellten die Frage: Repräsentiert der Name „Trink-Genosse“ das Projekt, das von der Grundidee absolut divers gedacht ist? Schließlich gebe es doch auch Trink-Genossinnen. „Demokratie kann auch schwierig sein“, so Berthold. Aber das heißt auch, gemeinsam Lösungen zu finden. Jetzt steht es den Leuten frei, wie sie die Kneipe nennen. Das spiegelt deutlich die Leuchtreklame über dem Eingang wider. Hier gibt es eine variable Endung. Mal steht ein E, mal ein IN oder auch ein X am Ende des Namens.
Trink-Genoss:in
Subbelrather Str. 254,
geöffnet: Mo–Mi und Fr–Sa
ab 19 Uhr, Do ab 18 Uhr,
wochentags bis 1 oder 2 Uhr,
am Wochenende länger.
Kölsch 2,10 Euro, andere Biere von 3,40 bis 5 Euro.
Speisen können mitgebracht und vor Ort verzehrt werden.
www.trink-genosse.de
Wer kann Mitglied in der Genossenschaft werden?
Mitglied werden: Mitgliedsantrag vor Ort ausfüllen oder E-Mail an info@trink-genosse.de
Es gibt eine aktive und stimmberechtigte oder eine rein investierende Mitgliedschaft. Der Vorstand prüft den Antrag.
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Tags: Demokratie , Kneipe
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