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Leben in Köln

Ehrenfelder Erfahrungsschätze

David Korsten-KölnerLeben Ausgabe 1/2018 · 09.04.2018

Foto: Volker Dennebier

Foto: Volker Dennebier

Seniorenarbeit hat im Stadtteil Ehrenfeld Tradition. Auf die funktionierenden Strukturen greifen Stadt und Wissenschaft gerne zurück, um neue Initiativen zu erproben.

Junge Väter mit Kinderwagen schlendern die Venloer Straße entlang, vor Gemüse- und Obstgeschäften unterhalten sich Frauen auf Türkisch, und abends erobern junge Menschen in Feierlaune die zahlreichen Cafés, Bars und Clubs – Ehrenfeld ist bunt. Wie aber geht es den älteren Menschen im Stadtteil? „Ich wohne schon seit 50 Jahren hier und habe noch nichts vermisst“, sagt Anwohner Friedrich-Karl Sopp. Es gebe viele Ärzte und Apotheken, auch Lebensmittelgeschäfte seien fußläufig erreichbar, findet der 83-Jährige. Nur mit den vielen Baustellen könnte es etwas schneller vorangehen. Auch Lieselotte Drognitz, 70, fühlt sich wohl in ihrem Veedel. Aber dass es inzwischen so viele Fast-Food-Läden gebe, störe sie, und kleine, schöne Geschäfte zum Bummeln habe es früher mehr gegeben.

„Seit etwa 25 Jahren kümmert sich Ehrenfeld intensiv um die Senioren“, sagt Dagmar Hermes-Sponheimer vom Bürgerzentrum Ehrenfeld. Damals habe es außer einem Kaffeeklatsch kaum Angebote gegeben. Das sei inzwischen anders, auch weil die Menschen heutzutage andere Bedürfnisse hätten: „Neben dem Kegeln und Kochen werden vor allem Sportangebote nachgefragt“, sagt Hermes-Sponheimer. Zu Kursen wie „Fit für 100“ oder der neuen Tanzgruppe „Agilando“ kämen die Menschen auch aus den angrenzenden Stadtteilen Neu-Ehrenfeld, Bickendorf oder Vogelsang – allerdings nur so lange, wie sie mobil sind. „Wer in einem Randgebiet wohnt und plötzlich auf einen Rollator angewiesen ist, hat große Probleme“, sagt die Sozialpädagogin. Die Gruppen im Bürgerzentrum sind in der Regel nicht größer als zehn Personen. Dadurch entstehen oft Kontakte über den Kurs hinaus. Wenn etwa ein Mitglied der Kochgruppe einmal krank sei, brächten die anderen das Selbstgekochte eben zu Hause vorbei.


Foto: Volker Dennebier

Doch nicht wenige Senioren leben zurückgezogen, sind nicht in Initiativen oder Vereinen engagiert – bei den Einpersonenhaushalten liegt Ehrenfeld weit über dem Kölner Durchschnitt. Um allein lebende Ältere besser zu erreichen, führte die Stadt in Ehrenfeld zwischen 2010 und 2013 gemeinsam mit der Technischen Hochschule das Projekt „Öffnung des Wohnquartiers für das Alter“ (ÖFFNA) durch. Die Idee: Mit neuen Informations- und Vermittlungswegen soll diese Gruppe stärker am gesellschaftlichen Leben beteiligt werden. So sollten etwa Einzelhändler, Ärzte, Apotheker oder Bäckereien die Senioren mit Broschüren auf Beratungsstellen und Angebote hinweisen.

Hausbesuche statt Broschüren

„Solche niedrigschwelligen Ansätze sind prinzipiell sehr wichtig“, sagt Ulla Gerads, Seniorenberaterin beim Deutschen Roten Kreuz in Ehrenfeld. Mit Blick auf ihre Erfahrungen betont sie aber: „Persönliche Empfehlungen sind nach wie vor das Wichtigste.“ Mit Infozetteln oder Broschüren erreiche man die Älteren eher nicht so gut. Häufig gehe es bei der Beratung um Finanzielles, um Versorgungsansprüche und Hilfe mit Anträgen, auch ambulante Pflegemöglichkeiten seien ein Thema.

„Ganz wichtig sind die Hausbesuche“, betont Gerads. Das Gespräch in vertrautem Umfeld sei individueller, außerdem könne man sich vor Ort ein besseres Bild von der allgemeinen Lebenssituation machen – und möglicherweise auf passende Angebote hinweisen. Sie würde sich wünschen, dass auch Ärzte noch häufiger auf die Angebote aufmerksam machen. „Demenzerkrankungen zum Beispiel sind Gott sei Dank nicht mehr so ein Tabu wie noch vor einigen Jahren“, sagt Gerads. „Dennoch kommen viele Angehörige erst dann, wenn wirklich gar nichts mehr geht.“

Beratung auf Türkisch

Einzigartig in ganz Köln ist die Beratung für türkischsprachige Migranten. Seit 2009 berät Koordinatorin Bagnu Yazici vom Projekt „Veedel für alle“ der Arbeiterwohlfahrt (AWO) diese Gruppe. „Viele Probleme sind ganz ähnlich wie bei deutschen Senioren“, sagt sie. Unterschiede gebe es allerdings beim Thema Demenz: „Menschen mit Migrationsgeschichte erkranken oftmals deutlich früher.“ Zudem habe sie den Eindruck, dass die Erkrankung bei Migranten auch schneller voranschreitet. Weil das Deutsche als Zweitsprache häufig schnell verloren gehe, berichtet Yazici, seien für diese Menschen Treffen mit türkischem Essen und Liedern in der Landessprache besonders wichtig. Seit 2010 bietet die AWO zudem Qualifizierungsangebote für Ehrenamtler an. In 30 Stunden lernen die Freiwilligen, welche Unterstüt-zungssangebote es gibt – und sollen die Informationen an ihre Landsleute weitergeben. Multikulturelle Angebote wie dieses sind für Ehrenfeld und seine knapp 13.000 Einwohner mit Migrationshintergrund wichtig, wirken aber auch über das Veedel hinaus.

Allen Veränderungen im angesagten Stadtteil zum Trotz: Fürs Erste besteht hier vieles, auch Gegensätzliches, nebeneinander. Junge Bars und Designerläden, aber auch traditionelle Eckkneipen, Restaurants oder Institutionen wie das Café Sehnsucht haben ihren Platz – genauso wie Jung und Alt.

In dieser Serie stellt KölnerLeben je ein Veedel aus jedem der neun Stadtbezirke vor:

Riehl
Deutz
Lindweiler
Neubrück
Godorf
Dünnwald

Ehrenfeld in Zahlen

(in Klammern zum Vergleich immer kleinster und größter Wert in der Stadt Köln; Quelle: Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Stand: 31.12.2015)

Fläche: 3,72 Quadratkilometer
(Mauenheim 0,49 / Eil 16,25)

davon Erholungsflächen: 4,8 Prozent
(Immendorf 0,9 / Höhenberg 43,3)

Einwohner: 36.971 insgesamt, je Quadratkilo-meter 9.943
(Roggendorf 299 / Neustadt-Süd 13.596)

Alter: 5.678 (15,3 Prozent) älter als 60 Jahre
(Ehrenfeld: 15,3 / Heimersdorf 34,5)

Alle für Senioren wichtigen Adressen sind erhältlich beim Beratungstelefon für Senioren: Tel. 0221 / 221-274 00

Beratung für Senioren türkischer Herkunft:
Danısma hizmetimiz ve destegimiz ücretsiz, tarafsız ve gizli bir sekilde verilmektedir. Soru ve sorunlarınızda Koordinatör Bagnu Yazıcı ile temasa geçebilirsiniz: Tel. 0221 / 57 33-215, E-Mail: yazici@awo-koeln.de

Alle für Senioren wichtigen Adressen sind erhältlich beim Beratungstelefon für Senioren: Tel. 0221 / 221-274 00

Tags: Stadtteile

Kategorien: Leben in Köln