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Leben in Köln

Auf einen Punsch mit den Nachbarn

René Denzer · 04.12.2023

Reges Treiben im Lichte der Severinstorburg. Fotos: René Denzer

Reges Treiben im Lichte der Severinstorburg. Fotos: René Denzer

Jedes Jahr entstehen neue Weihnachtsmärkte in den Veedeln. Ob es daran liegt, dass die Märkte in der Innenstadt immer voller werden? Oder weil es hier gemütlicher zugeht und man sich kennt?

Die Gummibärchen haben ihren Platz gefunden. Jonas hat sie mit Zuckerguss auf dem Schrägdach seines Lebkuchenhauses befestigt. Bleiben noch Schokolinsen, Kekse und Plätzchen übrig. Wo Letztere hinkommen, das darf die Mama des Fünfjährigen entscheiden. „Wir machen Teamarbeit“, sagt Sabine Krause. Lebkuchenhäuser dekorieren ist nur eine von vielen Stationen bei der Waldweihnacht auf Gut Leidenhausen. Viele Familien haben ihren Weg hierhin gefunden. Sie lockt das Ambiente und das Drumherum. „Das hier ist was anderes. Man ist in der Natur, im Wald, und es gibt viele Möglichkeiten für die Kinder, Spaß zu haben“, sagt Sabine Krause, die mitten in der Stadt wohnt.

Auch ältere Jahrgänge haben hier Spaß: Peter und Irene Beier wohnen „direkt ums Eck“ in Porz-Eil. Für sie ist der Besuch der Waldweihnacht Pflicht. Auf dem ehemaligen Rittersitz duftet es nach frisch gerösteten Maronen, Tannen, Honig. Zu späterer Stunde tauchen lodernde Holzscheite in Feuerkörben das Gut in ein besonderes Ambiente. Dazu haben Vereine und Institutionen vor Ort ein tolles Programm auf die Beine gestellt: zum Beispiel Basteln in der Waldschule, ein Besuch in der Greifvogelschutzstation oder Infostände über heimische Flora und Fauna.


Benedikt Marewski gibt auf Gut Leidenhausen Einblicke in das Leben der Ureinwohner Lapplands, der Sami.

Shoppen und Trinken für den guten Zweck

Weihnachtsmärkte in den Stadtteilen, abseits von Dom, Alter Markt, Neumarkt und Rudolfplatz: „Das kommt im mer mehr an“, findet Michael Gent. Angefangen hat es vor einigen Jahren mitdem Markt am Stadtgarten. „Die Menschen wollen im Veedel bleiben“, sagt Gent. Mit Bekannten ist er in der Südstadt unterwegs. An der Lutherkirche heißt es im Innenhof „für eine bessere Welt glühen“. Das Heißgetränk wird für einen guten Zweck ausgeschenkt. Die Leute stehen dicht, der Glühwein dampft in den Tassen, die Weihnachtskugeln glänzen in den Tannen. Auf der Bühne gibt es Zigeuner- Musik oder auch mal ernstere Themen: Seenotretter berichten von der Situation auf dem Mittelmeer.

Die vier Verkaufsstände, an denen Waren im Wochenwechsel angeboten werden, gehen da fast unter. Ein paar Meter weiter, am Chlodwigplatz, erstrahlt die Severinstorburg in verschiedenen Farben: blau, magenta, grün. Das Besondere: der Markt läuft unter dem Motto „Geschichte erleeve“. Auf das einstige Stadttor werden Projektionen von Filmen und Fotos vom alten Köln geworfen, besonders natürlich von der Südstadt. In den Bäumen hängen Lichterketten, es duftet nach Leckereien, Pänz drehen auf dem Karussell ihre Runden. Nach einem Jahr Pause und Knatsch gibt es seit 2018 wieder einen Weihnachtsmarkt. Denn gleich zwei Veranstalter wollen den attraktiven Platz bespielen.

Nun haben sich die Aktionsgemeinschaft rund um Bonner Straße/ Chlodwigplatz (ABC) und die Interessengemeinschaft Severinsviertel (IGS) geeinigt, den Weihnachtsmarkt abwechselnd zu veranstalten, in diesem Jahr ist die IGS dran. Die Veranstaltung auf dem öffentlichen Platz muss bei der Stadt beantragt werden. Neben vielen formalen Auflagen ist Lokalkolorit ein wichtiger Punkt im Vergabekonzept. Reine Geschäftemacherei will die Politik im Veedel verhindern. „Deswegen ist dieses Konzept entwickelt worden“, erklärt der stellvertretende Bezirksbürgermeister Tim Cremer. Ziel ist es, den Platz nicht zu „überspielen“. So ist der Weihnachtsmarkt eine von sieben erlaubten Veranstaltungen im Jahr. „Das Veedel soll sich widerspiegeln“, sagt Cremer.


Im Innenhof der Lutherkirche kommen beschwingte Rhythmen, aber auch ernste Themen auf die Bühne

Aufs Lokale setzt auch Metin Izman, Geschäftsführer des Lokals „Herbrand’s“ in Ehrenfeld. Der große Biergarten hat sich vergangenes Jahr erstmals in einen Weihnachtsmarkt verwandelt. In familiärer Atmosphäre gibt es unter anderem Leckeres aus einer familiengeführten Bäckerei, Schickes zum Anziehen und Orientalisches aus einem Laden – fast alle im Veedel ansässig. Sie haben für zwei oder vier Wochen eine der geschmückten Hütten gemietet. Der alte Baumbestand ist beleuchtet, es gibt eine Wichtelwerkstatt für Pänz, ein buntes Bühnenprogramm und einen alten Speisewaggon, der die Gäste mit heißen Getränken versorgt. Und auch hier wird für den guten Zweck getrunken: 25 Cent von jedem verkauften Glühwein im Herbrand’s werden für einen guten Zweck gespendet, 2018 an den Kölner Flüchtlingsrat.

Das Kuriose: Obwohl dies kein öffentlicher Platz ist und für den Biergarten eine Schankgenehmigung vorliegt, ist für den Weihnachtsmarkt eine Sondergenehmigung bei der Stadt einzuholen. Aufwendige Genehmigungsverfahren kennt auch Erwin Bäuml, Vorsitzender vom Verein „Ortsring Eil“. Für dessen Veranstaltung auf dem Pfarrer Oermann-Platz muss, wie man sagt, viel Papier schwarz gemacht werden – mit den Jahren immer mehr. „Da erschreckt man anfangs“, sagt Bäuml. Vor dem weihnachtlichen Flair, dem geschmückten Tannenbaum, dem Zimtduft und der besinnlichen Musik steht die ordnungsbehördliche Erlaubnis.

Es sind Auflagen für Verkehrssicherheit, Brandschutz, Bauordnung gemäß dem Gaststättengesetz und Lebensmittelhygiene zu erfüllen. Toiletten müssen da sein, Zufahrten für Rettungsfahrzeuge geregelt werden. Dazu kommt, dass der Vorstand für alle Personen-, Sach- und Vermögensschäden haftet, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung entstehen. „Deswegen wird auch eine Veranstalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen“, so Bäuml. Aber all das schreckt ihn nicht. Sein Ziel: „Das Veedel zu stärken.“ Die großen Märkte in der Innenstadt reizen ihn nicht. Klein, gemütlich, besinnlich im eigenen Stadtteil feiern, das sei doch viel schöner. Und das ist in diesem Jahr gleich im Doppelpack möglich. In Absprache mit dem Gut Leidenhausen wird es mit der „Eiler Doppelweihnacht“ eine Premiere geben. Mit einer Kutsche können die Besucher zwischen den beiden Veranstaltungen pendeln. Ehepaar Beier freut’s, die Vorweihnachtszeit in ihrem Veedel kann kommen.

Tags: Märkte , Veedel , Weihnachten